Freitag, 2. Januar 2009

9 Nordische Wahrnehmungen

Mandag, 04. August 2008

Die Schweizer Fraktion hat verpennt. Wir fangen alle drei an zu schwächeln. Denn auch mir fällt das Aufstehen schwer. Dabei schlafen wir ca. sechs bis sieben Stunden, nur eben etwas Zeitversetzt von zwei bis acht Uhr. Denn das letzte Konzert des Festivaltages beginnt 22.30 Uhr im SAS Hotel. Da es meist gute Konzerte sind, versuche ich fast alle zu besuchen. An dieser Stelle mal ein Schwenk in die Dimension dessen, was mir hier geschenkt wird: Die Eintrittspreise für die Konzerte des Festivals bewegen sich zwischen 100 und 250 Kronen, das sind etwa 13 bis 40 Euro. Ich bin nach 3 Tagen bei 12 Konzerten angekommen. Kostenlosen Konzerten! Von einer Qualität und Vielfalt, die nichts vermissen lässt. Somit ”arbeite” ich hier zwar freiwillig, werde aber schon nach einer halben Woche mit freiem Eintritt im Wert von etwa 400 Euro bezahlt. Wunderbar!

Das späte zu Bett gehen wird mir nicht wirklich bewusst, da es hell ist. Das irritiert die Sinne enorm über das gewohnte Tag-Nacht-Empfinden. Das dunkelste Licht der Nacht jetzt im August entspricht in etwa einem trüben mitteleuropäischen Novembertag. Im Juli bleibt die Sonne hier gänzlich über dem Horizont, da kann es in der Nacht schon mal einen blauen Himmel geben. So geschehen ja auch in meiner ersten Nacht hier.
3.30 Uhr, Sonnenlicht … das hat eine Faszination - immer noch, nach 4 Tagen in Bodø. Wenn die Sonne sich gegen 21 Uhr doch dem Horizont zuneigt, wirft der menschliche Körper unglaublich lange Schatten (alles andere natürlich auch).
Die Luft hier oben ist klar, sauber. Der Wind in diesen Tagen mal kühl, mal warm. Das anhaltend gute Wetter begeistert auch die einheimischen Nordnorweger, es ist nicht so selbstverständlich. Die Internet-Prognose hatte mich ja an meinem sonnenlicht liebenden Verstand zweifeln lassen, da ich vorhatte, bei heimatlicher Hitzewelle mit etwa 30 Grad Celsius in vorhergesagte 10 bis 15 Grad, Regen und Wolken aufzubrechen.
Ich bin schon dankbar, dass es anders kam.
Gestern Nacht fuhr Ann Karin Hannsen nach dem letzten Konzert im SAS Hotel noch spontan mit uns raus aus der Stadt. An einem ”Viewpoint” – eigentlich ist fast jeder Parkplatz hier ein Viewpoint, wenn er am Meer liegt – halten wir an. Vor uns liegt die See im Licht der ”untergehenden” Sonne, es ist etwa 1 Uhr 30 … Am Horizont und kurz davor rekeln sich Inseln und Felsen in dem Licht, das rotgolden mit Meer, Land und dem Himmel darüber spielt. Es gibt hier und jetzt keinen besseren Augenblick, diesen vollen Tag zu beenden.

Ann Karin ist eine starke Frau. Sie hat Schlimmes erlebt und hat sich trotzdem eine offene Art und hohe Aufmerksamkeit bewahrt. Sie hätte nicht mit uns zu dieser Night –Light –Sightseeingtour aufbrechen müssen mit den wenigen Stunden Schlaf, die ihr der Job in dieser Woche erlaubt. Tut es aber um 1 Uhr nachts doch noch spontan. Sie machte nicht nur das Ankommen hier in Bodø leicht, sondern auch das Bleiben. Im Auto erzählt sie vom Leben hier oben. Ich frage, wann die dunklen Tage hier beginnen. Im September wird es zum ersten mal für einige Stunden dunkel. Im Winter steigert sich diese Dunkelheit auf bis zu 20 Stunden. 4 Stunden Licht am Tag! Ich frage sie, ob und wie sich der Lebensrhythmus der Menschen hier dann verändert. ”Wir schlafen länger, fahren Ski, besuchen oft Freunde und Familie.” So wenig ich mir die hellen Nächte vorstellen konnte, so wenig kann ich mir die dunklen Tage ausmalen. Mit ersterem Phänomen von Mutter Natur klar zu kommen, ist gedacht und gelebt für mich einfacher. Das Extrem der Dunkelheit würde ich gern einmal ausprobieren, sehen, was es mit mir macht.
Die Menschen hier sind offen, hilfsbereit, bewahren sich ein gesundes Selbstbewusstsein und persönliche Distanz. Freundlichkeit, die von einem selbst ausgeht, kommt meist schnell zurück. Leistungsbereitschaft wird anerkannt. Dies alles spüre ich in meiner Arbeit als Freiwillige, nehme ich im Umgang der Mitarbeiter und Helfer im OrgBüro wahr, erfahren wir als Fremde.
”Ach ja, das ist der härteste Freiwilligeneinsatz, den ich je erlebt hab.”
meint Sophie, die junge und symphatische Schweizerin. Mit ihr teile ich Schokolade, Bananen und Eis. Mit ihr und Priska teile ich ”diese Arbeit”.

Keine Kommentare: