Freitag, 2. Januar 2009

18 Nyholms Skanse

Es ist 2.30 Uhr. Nacht. Mir ist heftig kalt, ich müsste mal dringend auf’s WC und habe keins. Ich bräuchte dringend ein Taschentuch – habe auch das nicht.
Mir kommt die Idee, mich, meine Nase und meine Blase im Skagen Hotel, dem zentralen Punkt der Festivalorganisation, zu retten. Da das letzte Konzert jener Tage meist erst gegen 1 Uhr endet, war es nicht ungewöhnlich, dass mitten in der Nacht noch Musiker, Festivalorganisatoren oder Gäste im Hotel auftauchten.
Da würde eine Freiwillige auch nicht auffallen.
So fand sich zu WC und Taschentuch (alias Serviette) noch eine wärmende Tasse Tee. Ich war seit 2 Stunden „obdachlos auf Zeit“. Und ich fühlte mich etwas verloren in der leeren Hotel-Lobby. Der Mensch, mit dem ich den Tag und Abend verbracht hatte, lag seit etwa 2 Stunden im Bett. Worum ich ihn beneidete – und auch nicht. Denn so solte er ein wundervolles Konzert verpennen. Doch der Reihe nach.

Nach einem ruhigen Vormittag im Org.Büro fuhr ich mit Sophie und Priska hinüber zur Nyholms Skanse („Nyholms Schanze“). Die felsige Landzunge, die sich schmal und lang in die Bucht vor Bodø ins Meer hinaus schob, sollte nach dem Keiservarden der zweite außergewöhnliche Konzertort dieses Festivals werden. Per Luftlinie bzw. Wasserweg lag die Spitze der Landzunge vielleicht nicht mehr als 150 Meter vom Org.Büro weg. Um jedoch trockenen Fußes zum Standort der Bühne zu gelangen, musste man die halbe Stadt und ein Industriegebiet am Hafen durchqueren. Zum Glück fuhren wir mit Hans, Sindre und Freddy Mercury im Autoradio diesen Weg.
Den ich zu Fuß nie wieder gefunden hätte und den wir auf dem Rückweg mit einem Elektromobil fahren durften. Dieses Mal haben es die Norweger erfunden: ein super kleines Auto, das mit Elektroenergie angetrieben wird. Von der die Norweger ja nun reichlich und preiswert haben. Die Tachonadel schafft es über 100 kmh, mit einer Tankfüllung kommt man 60 km weit und Parkgebühren entfallen (wohl wegen der dezenten Größe des Wägelchens). Vorn (es gibt eigentlich nur vorn) können drei Leute sitzen, der „Kofferraum“ reicht für den Aktenkoffer und das Handtäschchen. Das ideale Stadtauto also!
Ich gebe dem Fahrer zu verstehen, dass sie möglichst schnell auf den deutschen Markt und in die deutschen Großstädte exportieren sollten, die Berliner z.B. würden es ihnen sicher heftig danken!! Der Mensch neben mir schaut darauf hin überhaupt nicht erstaunt, nickt und gibt mir zu verstehen, dass die Erfinder dieses Elektro-Mobils schon daran arbeiten. Na wunderbar!!
Vor dem kurzen Trip per Elektroenergie lag ja aber noch unser Arbeitseinsatz auf Nyholms Skanse. Diese Mal hieß es wirklich, sich körperlich zu schaffen.
Die Bühne war zwar bereits aufgebaut, ganz vorn auf der Landzunge, aber ihr fehlten noch die Licht- und Tontechnik sowie diverse Instrumente. Soweit er konnte, fuhr der LKW an das felsige Gelände heran, doch blieben immer noch 50 Meter Landzunge bis zur Bühne. Erreichbar per teils geschottertem, teils ausgetretenem Trampelpfad. Für Touristen mit leichtem Gepäck ideal, für eine LKW-Ladung voll wertvoller und irre schwerer Technik eine Herausforderung. Aber ich erwähnte ja bereits:
die Norweger kennen kein ‚unmöglich’, wenn es darum geht, sich außergewöhnliche Musikereignisse an noch außergewöhnlicheren Orten zu verschaffen. Es scheint für sie dabei nicht die Frage zu sein, OB es möglich ist, sondern nur WIE! Ein Handlungsansatz, der sich in Vielem wiederspiegelt, was norwegisches Leben ausmacht. Vielleicht liegt auch darin ein Geheimnis ihrer Lebensart, in der mir immer wieder diese Gelassenheit, Geradlinigkeit und eine gesunde (!) Zielstrebigkeit begegnete. Sie Leben das Leben, wie es ihnen begegnet, klug – aber sie zerdenken es nicht schon vorher. Eine Philosophie, die ich schon nach einer Woche in Bodø und zwei Tagen wieder zu Haus in Deutschland sehr vermissen sollte.
Doch zurück zu unserem Einsatz als Roudy’s.

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