Freitag, 2. Januar 2009

30 Kofferbänder

Es gibt ihn noch: den ganz ruhigen, ganz normalen, ganz pünktlichen Flug!
Keine Vorkommnisse. Es ist 21 Uhr. Ich stehe am Gepäckband im Flughafen Berlin Schönefeld und warte auf meine Tasche. Überlege, ob ich mir ein Taxi zur Wohnung meiner Schwester leiste oder die S-Bahn nehme. Tja, und da ist es wieder, dass Gefühl, an der falschen Kasse zu stehen oder diejenige zu sein, deren Tasche als Letzte vom Band rollt.
Komisch nur, dass allmählich der Blick von vier weiteren Mitreisenden auf das leerer werdende Kofferband meinem suchenden Blick immer ähnlicher wird. Bis, ... ja, bis plötzlich auf der Anzeigetafel über dem Kofferband der Satz aufleuchtet:
„Diese Gepäckausgabe ist beendet.“
Ich nehme mich wahr, wie ich mit leerem Blick und großen Augen auf ein Kofferband stiere, auf dem gerade mal noch ein grüner Rucksack und eine Metallbox herrenlos ihre Runden ziehen.
Katastrophenerprobt, wie ich nach dieser Woche bin, scheine ich die Situation als erste zu verarbeiten und gehe auf die netten Beamten vom Zoll zu. Die scheinen schon zu ahnen, was jetzt kommt. Lächelnd beruhigend, schicken sie uns alle zum Gepäcksuchservice des Flughafens. Eine junge Frau aus Polen findet das Fehlen Ihres Gepäcks überhaupt nicht lustig; eine junge Frau aus Berlin ist durcheinander, hat so etwas noch nicht erlebt. Aber wenigstens kann sie sich mit ihrer Erschrockenheit in die Arme ihres Liebsten fallen lassen,
der in der Halle auf sie wartete.
Ich beneide sie um diesen Augenblick ...

Ich selbst sitze eine viertel Stunde später in einem Taxi, dass ich mir nach diesem erneuten kleinen Vorkommnis zum Abschluss dieser Reise ganz ohne schlechtes Gewissen und ganz ohne Gedanken an meine Hausbank leiste. Mit dem Gepäcksuchservice hatte ich zuvor noch vereinbart, dass ich auf meiner Heimfahrt am nächsten Tag am Flughafen halt mache und nachfrage, ob mein 19, 38 kg schweres Täschchen mit dem Morgenflieger aus Olso eingetroffen ist ...
oder ob es nun nach Lappland unterwegs ist.

Die Autofahrt vom Flughafen bis zur Strahlau-Halbinsel reicht aus, um dem netten Taxifahrer die wesentlichsten Katastrophen- und Glücks-Momente meines Trips nach Norwegen zu erzählen. Er bestätigt mir beim Abkassieren,
dass er lange keine so unterhaltsame Fahrt hatte.

Das Ankommen in Familie tat unendlich gut!
Ich dachte in dieser Nacht mit gemischten Gefühlen an meine leere Wohnung, ...
dachte zurück
an das kleine Zimmer mit Matratze in der Halogalandgatan 12
und die Schweiz-Fraktion mit Sophie und Priska im Nebenzimmer,
sah die schaukelnden Boote im Hafen,
die Gesichter von Ann Karin, Sindre, Jens Peter, Hans, Lina, Knut, Hilde, Nils, Rolf Cato,
....
und schlief hinüber,
in eine unruhige, traumlose – wieder in Dunkelheit eingehüllte - Nacht.

Für die letzte Etappe dieser Reise stand mir wieder mein kleines blaues Wägelchen zur Verfügung. Es hatte die Wartezeit in Berlin heil überstanden. Ich gebe zu, dass mir die Beweglichkeit eines eigenen Autos in Bodø sehr fehlte. So beschränkte sich der unabhängige Entdeckerradius dieser Woche auf die Stadt (ausgenommen der „Mitfahrgelegenheit“ nach Kjerringyø per Leihauto und Fähre).
Ich konnte am nächsten Morgen nach fantastischem familieren Frühstück meine Tasche vom Flughafen abholen und genoss die Fahrt im eigenen Auto nach Hause,
wenngleich die Gedanken nicht mit den gemütlichen und
Sprit sparenden 120 kmh mitkamen.
Sie hingen - und hängen noch immer - in Bodø.

Keine Kommentare: