Freitag, 2. Januar 2009

23 Nachtkaffee

Für Sänger Ketil Hugaas sollte es nicht das letzte Konzert des Festivals sein. Noch im Rausch dieses Klangerlebnisses beginnen wir Freiwilligen den Saal zu räumen, stapeln die Stühle, sammeln Becher, Dosen und Wasserflaschen ein (getrennt, denn auf die Plasteflaschen und Dosen gibt’s in Norwegen noch Pfand).
Um anschileßend von einem Konzert sofort ins nächste zu laufen. Ich bin mit Sophie und Priska auf dem Weg ins SAS-Hotel. Als wir den kleinen Saal mit Clubatmosphäre betreten, geht dies fast nicht mehr, so voll ist es. Die Norweger in Bodø scheinen auf Big Band zu stehen. Doch mit einem Blick ins Programmheft erschließt sich mir das Geheimnis: Im letzten nächtlichen Konzert dieses Festivals präsentiert sich die Bodø(!) Big Band! Heimspiel also. Ich gehe mal davon aus, das mindestens 2/3 der Besucher im überfüllten Saal mit einem der Bandmitglieder verwand, verschwägert, befreundet oder benachbart sind. Und da es in einer Big Band viele Bandmitglieder gibt, kommt da schon einiges zusammen. Doch nicht nur aus Fantreue gab es Grund, dem Konzert zu lauschen. Auch die regionalen (Amateur!?) Musiker brillieren mal wieder mit erstaunlichem spielerischen Können. Sänger Ketil Huugas hat Frack und Fliege für diesen Abend an den Nagel gehangen, nimmt gut gelaunt hinter einem E-Piano platz.
Leger, witzig moderiert er diesen Abend, intoniert anspruchsvolle Unterhaltung von Jazz über Gospel über Musical bis Pop. Und wieder ist das Publikum von Beginn an beschwingt dabei, feiert mit den Musikern und Festivalmachern das Leben und die Musik. Ich stehe mit Priska und Sophie neben der Eingangstür an die Saalwand gelehnt, lasse den Blick immer wieder durch den Saal schweifen. Sehe bekannte und unbekannte Gesichter. Die Türen an der gegenüberliegenden Saalseite sind geöffnet, sie führen auf die Hotelterrasse mit Blick auf die Marina, die Hafeneinfahrt, das Meer. Ungezwungene Leichtigkeit liegt über dieser Nacht. Nicht für mich. Ich will ans Wasser, entschließe mich, nicht den Kampf quer durch den Saal an den Kniescheiben der Gäste vorbei aufzunehmen, um so auf die Terrasse und von da zur Marina zu gelangen, sondern gehe durch die Hotellobby nach unten ins Freie.
Der Hafenkiosk hat 24 Uhr noch geöffnet. Wunderbar. Ich hole mir einen Kaffee, lausche von der Straße her den letzten Liedern von Big Band und Opernsänger. Swing Low, ja...ein gutes Motto für diesen letzten Tag in Bodø,
der gerade begonnen hat...

Am vorletzten Abend dieser Nordland Musikkfestuke scheinen auch Sophie und Priska endgültig in Bodø angekommen zu sein. Mit ihrem jugendlichen konditionellen Durchhaltevermögen gehen sie nicht mit mir nach dem Dienst in unsere Wohnung zurück, sondern stürzen sich ins Nachtleben der Stadt. Entsprechend spät sollte ich sie am nächsten Tag wieder sehen.
Ein lieber Freund bescheinigte mir mal, dass ich mich unendlich schwer tue, Abschied zu nehmen. Stimmt, gäbe es darin eine olympische Disziplin – ich hätte ein Dauer Abo auf das oberste Treppchen bei der Siegerehrung. Vor mir liegen noch gut 30 Stunden in Bodø, doch der Weg vom SAS Hotel bis zur Wohnung wird in dieser vorletzten Nacht ein sehr einsamer, nachdenklicher.
Das Bewusstsein um mehr als einen Abschied begleitet mich dabei.

Keine Kommentare: