Freitag, 2. Januar 2009

19 Nyholms Skanse II

Ein kleiner Allrad-Gelände-Buggy mit Hänger übernahm den Transport der ganz ganz schweren Kisten vom LKW zur Bühne . Alles andere, was auch schwer war aber nur irgendwie mit Muskelkraft zu bewegen ging , wurde per Hand und Fuß zur Bühne getragen, ... geschoben, gerollt und gezerrt.
Leider war ich nach vier Tagen Programmhefte austeilen in der Innenstadt und Brandschutzwachen in Konzertsälen nicht auf Schotterwege eingerichtet, so dass ich mit meinen – in Sangerhausen neu erworbenen (Kunst-)Lederstiefeletten – nicht wirklich gut punkten konnte. Das (Kunst-) Leder auf den Spitzen ist jetzt jedenfalls weg, hängt irgendwo im norwegischen Schotterweg auf Nyholms Skanse. Wie gut hätten sich doch meine – in Bodø neu erworbenen – Turnschuhe gemacht!
Nun ja, ans improvisieren hatte ich mich inzwischen gewöhnt.

Nyholms Skanse ist, wie schon erwähnt, ein außergewöhnlicher Ort für ein Konzert. „Musikalische Landschaft“ - unter diesem Titel war das Konzert mit dem Trompeter Ole Edvard Antonsen und seiner Band für 23.59 (!) Uhr angekündigt. Und zum zweiten Mal gelang den Festivalmachern eine Symbiose aus Musik und Natur, aus Herausforderung und Genuss. Ole Edvard Antonsen ist ein Könner auf seinem Instrument. Mit seiner Band erzeugt er einen Klang, der sich nur schwer beschreiben lässt. Wer skandinavische Musik kennt und liebt, weiß, was ich gerade meine.
Die Musik dieser Nacht war ein Teppich,
gewoben aus dem warmen Klang der Trompete;
aus den sich aufschwingenden, tragenden Sequenzen des E-Pianos und der Gitarre. Sie erinnerten mich an die flächig geschwungenen, farbigen Abbildungen des Nordlichtes, die ich hier auf Postkarten und Kalendern gesehen hatte.
Ja, so etwa legte sich der Sound der Musik wie ein leichtes Seidentuch über die Bucht von Bodø, über das nächtliche Meer. Schön!
Alles erfährt noch eine Steigerung , als sich Stimmen in den Klang der Instrumente mischen. Lose, harmonische Vokale, so nehme ich sie wahr. Fantastisch!
Alles schiebt sich unter die Haut ... und wärmt, wärmt!
Gegen die menschliche und natürliche Kälte dieser Nacht.
Die mir inzwischen ebenfalls heftig unter die Haut gekrochen ist.

Ich erlebe das Konzert als Freiwillige außer Dienst.
Nach dem wir die Bühnentechnik auf Nyholms Skanse verstaut hatten und mit dem Elektromobil in die Stadt zurückgekehrt waren, nahm ich mir für den Rest des Tages frei. Ich war ja eingeladen zum Ausflug nach Kjerringyø, dieser wunderschönen Halbinsel nördlich von Bodø gelegen. Und ich war anschließend eingeladen zum wohl teuersten Restaurant-Abendessen meines Lebens. Das endete gegen 24 Uhr. Was insofern zum Problem wurde, da die Schweizer Fraktion den Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung bei sich trug und sich auf Nyholms Skanse befand, denn Priska und Sophie waren dort zum Konzert-Dienst eingeteilt. So stand ich plötzlich etwas einsam und ohne Fahrgelegenheit in dieser angebrochenen Nacht. Das Geld für ein Taxi zur Nyholms Skanse wollte ich nicht investieren, lehnte auch das Angebot meiner Begleitung, dafür aufzukommen, dankend ab. Ich entschied mich, mir das Konzert „backstage“ anzuhören. Denn genau gegenüber dem Ende der Landzunge, etwa 40 Meter durch die Fahrrinne der Hafeneinfahrt getrennt, liegt das Ende der Molo von Bodø. Eine langgezogene, begehbare Mole, deren Ende wieder leicht Richtung Stadt zeigt. In ihrem Schutz liegt die Marina von Bodø mit vielen mittelgroßen Segel- und Motorbooten, den Fischkuttern und Schiffen der Seerettung.
Ich begebe mich also kurz vor 24 Uhr zum Ende der Mole; kläre noch per Handy mit den Schweizer Mädels, dass sie sich melden, wenn sie nach dem Konzert zur Wohnung aufbrechen. Ich stehe etwa auf Höhe der Bühne, blicke sozusagen von hinten auf die Musiker. Den Zuschauern - bildlich - ins Gesicht . Tatsächlich heben sich in der Dämmerung die Silhouetten der Menschen gegen das letzte Licht des Tages ab. Sie stehen auf dem Kamm der alten Bunkeranlage, die sich noch aus Wehrmachtszeiten und den Zeiten weit davor auf Nyholms Skanse befindet.

Keine Kommentare: