Freitag, 2. Januar 2009

11 Glockenspiel


Es wird offenbar, wie sehr es sich gelohnt hat, diese Reise anzutreten. Und damit meine ich nicht das Materielle. Ich meine das Vertrauen in das Eigene.
Und in das, was kommt, wenn frau sich auf den Weg macht!
Ich liege seit etwa 1 ½ Stunden auf einem Felsen an der Fjordausfahrt. Er liegt vor der Stadt im Meer, ist wie mit einer Nabelschnur über die lange Mole mit der Stadt, dem Festland verbunden. Die Mole ist mit Steinskulpturen verziert und an ihrem Ende, wie sollte es anders sein in Norge, lädt ein Kiosk med Kaffe og vafler (ein Kiosk mit Kaffee und Waffeln) die Molenbummler zum Verweilen ein. Im Schutz der Mauer liegt die Marina von Bodø, ziemlich voll belegt. Mit Booten in allen Größen und Preisklassen. Mein Herz gehört einem „Holzbootpaar der alten Schiffs-Schule“. Manchmal liegen das große und das kleine Schiff still nebeneinander am Kai. Erinnern mich an ein altes Ehepaar, das sich immer noch hat, noch braucht und noch mag. Bei dem der Eine nicht ohne den anderen überlebt, aber doch jeder für sich sein kann.

Wäre nicht der Wind gewesen, der mich doch ab und zu zum Pullover greifen lässt – ich hätte mir einen heftigen Sonnenbrand eingefangen.
Der Felsen ist meine Oase zum „Trubel“ des Festivals.
Das Wetter ist gigantisch. Sonne, Sonne, Sonne. Fast jeden Morgen, wenn ich die Augen aufmache und aus meinem kleinen „Kellerfenster“ direkt in den Himmel sehe, begegnet mir ein strahlendes Blau. Fantastisch. Das Licht , der blaue Himmel, die Boote geben der Stadt ein sommerlich mediterranes, touristisches Flair. Alles wirkt offen.
Als erstes Konzerterlebnis an diesem Tag erklingt ein „Glockenspiel“.
Ein transportables, riesiges Glockenspiel. Es hat sich auf dem Vorplatz der Domkirche zu Bodø platziert. Auf einem aufgeklappten Transporter steht ein riesiger Glaskasten mit vielen vielen kleinen und großen Glocken. Der Glockenspieler „zaubert“ auf ihnen Melodien von Bach, Mozart, Händel....! Die Menschen stehen um den Wagen, an die Kirchenmauer gelehnt oder sitzen auf der angrenzenden Wiese und lauschen.


Von Zeit u Zeit gehen einige Menschen in das Innere der Kirche. Ich tue es ihnen gleich
und betrete ein helles, lichtes, harmonisches Kircheninnere. Sehr einladend, großzügig aber nicht überdimensional und erdrückend. Skandinavisch eben.
Die farbigen Fenster leuchten im Licht der einfallenden Sonne. Sind der stille Rahmen dieses Augenblicks. Es ist Zeit und Raum für ein Kerzenlicht.
Ich gehe zurück ins Büro, treffe dort Sophie und Priska. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg ins ‚Kulturhus’. Die Lage des OrgBüros im Skagenhotel ist phantastisch gewählt, die meisten Veranstaltungsorte des Festivals sind gut und kurz erlaufbar und in unmittelbarer Nähe. Ein weiterer Beweis für die schlaue Organisation des Festivals.
Ein klassischer Konzerthöhepunkt steht auf dem Festivalprogramm:
„Trio con Brio Copenhagen“.
„The Gramophone“, das internationale klassische Musikjournal, schreibt zu den zwei koreanischen Schwestern (Violine und Chello) und ihrem männlichen dänischen Pianisten sinngemäß:
„ ...die Ravel und Bloch-Darbietungen können mit den Besten ihrer Art mithalten. Das Trio con Brio Copenhagen ist eindeutig eine großartige Gruppe und ... I looked forward to future encounters.“
Dem bleibt mir nach dem Konzert nichts mehr hinzuzufügen. Ich habe lange nicht mehr so exzellente Instrumentalisten gehört. Da ist es fast eher eine Auszeichnung für das Publikum, das Trio auf dem Festival in Bodø erleben zu dürfen, während sie sonst schon mal so heilige Musikhallen wie die Carnegie Hall bespielen.
Ja, sie zelebrierten die Musik. Fühlten sich so ganz und spürbar in die Stücke ein, konzentrierten sich und ließen sich los. Und mit sich selbst auch den Klang ihrer Instrumente. Alles in einer Harmonie, die atemlos machte.
Stehende Ovationen. Dazu die (typisch norwegische??) Applaustradition:
gemeinsam auf eine Zählzeit und immer schneller werdend. So bei uns in Deutschland inzwischen etwas aus der Mode gekommen. Sich hier als einzige Querklatscherin zu outen, lag mir dann aber doch fern. Also applaudierte ich heftig mit!
Werke von Ravel und Dvorák erklangen...wunderbar!
Ich plündere meine Urlaubskasse und erweitere meinen ohnehin defizitären Klassik-CD-Fundus. Die Erinnerung an diesen Kunstgenuss ist es allemal wert.
Am nächsten Morgen begegne ich den drei Musikern am Frühstücksbuffet. Ruhig und unscheinbar tragen sie nicht vor sich her, zu welchen Leistungen sie fähig sind. Schön.

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