Freitag, 2. Januar 2009

34 Bildimpressionen

... zur Norland Musikkfestuke in Bodø, Nordnorwegen
Das gesamte Reisetagebuch ist zu finden im Blogarchiv 2008 / letzte Dezemberwoche
...viel Vergnügen!





























































33 Impressum


Impressum


Mio.
Text & Kommunikation

Marion Rohland
Mogkstraße 30
06526 Sangerhausen

03464. 57 0345 TEL
03464. 27 9409 FAX
0170. 52 89 588 MOBIL
MarionRohland@gmx.net MAIL


Nordland Musikkfestuke

Postboks 319
N-8001 Bodø

+47 75 54 90 40 TEL
+47 75 54 90 49 FAX
nmfu@nmfu.no MAIL
www.musikkfestuka.no
www.nmfu.no

Administration:
Rolf-Cato Raade, Direktor
Hilde Aas, Büroleitung
Knut Perander, Produktionsleiter

32 Hinausführende Gedanken

Ich gebe zu: am Beginn meiner Zeit in Bodø erschien mir diese Woche unendlich lang, die Tage waren angefüllt, schienen aber langsam zu vergehen.
Doch nun, wieder zu Hause und acht Tage nach dieser Nordland Musikkfestuke in Bodø, frage ich mich, wie all das Erlebte in 10 x 24 Stunden passen konnte.

Die Antwort liegt nun in mir ...

mit der erlebten vielfältigen und erstklassigen Musik;
mit den unzähligen Gesprächen und außergewöhnlichen Begegnungen mit den Menschen in Bodø;
mit der aufmerksamen und herzlichen Begleitung meiner Zeit durch
Ann Karin Hansen und die freiwilligen „Kollegen“;
mit der gemeinsamen Zeit mit den lieben „Schweizer Mädels“ Sophie und Priska;
mit dem unendlich klaren, belebenden Licht des Nordlandes;
mit der Weite und Erhabenheit des Meeres;
mit der Geborgenheit und dem Leben des Hafens;
mit der ungestillten Sehnsucht beim Anblick der Segelboote in der Marina;
mit der Bewegung des Windes, wenn er mir über die Haut fuhr;
mit der Wärme der Sonne, wenn ich sie auf den warmen,
vom Meer umspülten Steinen der Molo erspüren durfte;
mit der täglichen Herausforderung, im Unbekannten zu Sein;
mit dem Zauber einer unerwarteten Begegnung und
der Kraft zur Entzauberung;
...
liegt im Aufbruch, im Ankommen und wieder im Aufbruch.

„Von den verlorenen Häfen hinaus auf die rettende See,von den Wellentälern des Sturms hinein in die warmen Lagunen des grünen, ruhigen, Wassers,von der unendlichen Weite in die endliche Nähe ...und wieder zurück.Ja, zurück. Und wieder zurück. Und wieder zurück.Kein Hafen ohne Meer.Kein Meer ohne Ufer, ohne Hafen.Es ist so.Wir haben die Gabe, an beiden Orten leben zu können.Wir haben die Gabe, von beiden Orten gehen zu können.Der Weg zwischen den Orten ist nicht das Schwierige.Das Schwierige ist das Loslassen ohne sich loszusagen und das Schwierige ist die Entscheidung, wieder ankommen zu wollen.“

Mio

Ich danke allen Menschen und Menschinnen,
die mich ermutigten, diese Reise anzutreten;
allen, die in Gedanken und Wirklichkeit bei mir waren;
allen, die nun die Geduld aufbringen, sich die Geschichte meiner Reise anzuhören oder sie zu lesen –
und allen, die die Freude darüber mit mir teilen können.

Tusen Takk,
tausend Dank!

31 Die letzte Katastrophe

Die letzte Katastrophe dieser Reise sollte mich allerdings zu Hause in der Mogkstraße 30, unterm Dach, am heimatlichen Notebook erreichen. Um der wehmütigen Seele das Ankommen auch ja richtig schwer zu machen, gibt es doch nichts besseres, als es sich mit einem starken Kaffe (und danach einem Glas Rotwein) vor dem inzwischen angestaubten Bildschirm gemütlich zu machen und die Fotoausbeute der gesamten Reise vor dem geistigen und körperlichen Auge vorüberziehen zu lassen. Der ganzen Reise ... tja, das sollte eben nicht sein.
Nach dem Einlegen der dritten (und wichtigsten!!!) Bilder-CD blickten meine müden Augen auf einen weißen Bildschirm und die Anzeige „keine Dateien auf dieser CD vorhanden“.
Halt, Stopp, noch mal.
Ich legte die Letzte der drei von mir in Bodø gebrannten Bilder-CD’s etwa fünf mal neu ein, bis ich meinem Bewusstsein erlaubte, sich einzugestehen, endgültig und unwiderruflich den Verlust von etwa 180 Bildern wahrzunehmen. Ein lauter, anhaltender Schrei dürfte meinen Nachbarn endgültig signalisiert haben, dass ich aus dem Urlaub zurück war.

Das schlimmste an solchen Augenblick ist die Erkenntnis, nichts mehr tun zu können.

Ich dachte daran, dass mich so viel Unwegsamkeiten auf dieser Reise erreicht hatten und (fast) alle irgendwie einen guten Ausgang nahmen, aber für diese Situation viel mir einfach nichts ein, was mir die nicht gespeicherten Bilder wiederbringen sollte. Ich war ja nun einiges nach dieser Fahrt gewohnt, aber so final hatte ich mir ihren Abschluss nicht vorgestellt. Ich suchte nach einer Erklärung für die leere CD. Ich hatte für die Kamera nur zwei Speicherkarten mit je 512 MB Speicherplatz mit nach Bodø genommen. Da ich ahnte, das diese nicht ausreichen würde, hatte ich auch CD’s zum zwischenspeichern eingepackt. Und so hatte ich drei Mal in Bodø am Rechner mit neuem Vista-Programm und norwegischer Bedieneroberfläche gesessen und Bilder herunter geladen.
Zwei Mal hatte es ja auch funktioniert, nur die dritte CD war einfach leer!
An diesen Bildern hing ich aber besonders:
es waren die Aufnahmen vom Ausflug nach Kjerringyø inklusive kurzer Fährfahrt und phantastischer Landschaft;
es waren die Nachtaufnahmen vom Konzert auf Nyholms Skanse inklusive der Einfahrt der Hurtigruten-Fähre in den Hafen (wie hatte ich mir die Bilder in dieser Nacht „erfroren“!!!) und es waren Bilder vom Konzert des Percussion Ensembles „Kroumata“ inklusive Nahaufnahmen der Instrumente.
Ja, um diese Bilder tat es mir sehr, sehr leid. Einige hatte ich kurz beim Herunterladen gesehen, es waren gute Schnappschüsse dabei. Moment mal, wenn ich sie beim Herunterladen gesehen hatte, dann mussten sie doch irgendwo „hingeladen“ worden sein. Mir kam eine Idee.
Noch eh ich zu Hause war, hatte mir Nils, der Technik--Verantwortliche der Musikfestwoche, schon eine Ankomm-Mail geschrieben. Ich setzte mich sofort mit meinem kleinen Bodø -erprobten Wörterbuch an meinen Rechner und schrieb Nils eine Antwort, verbunden mit der Bitte, das Notebook und meine Bilder zu suchen und zu finden. Auch von Ann Karin hatte ich am nächsten Tag eine Mail. Und auch ihr schrieb ich von meinem Dilemma, bat auch sie, nach den Bildern zu suchen.

Tja, und wie sollte es bei dieser Reise anders ausgehen.... als gut!
Am nächsten Mittag erreichte mich im Büro die fröhliche Mail von Ann Karin, dass sie das Notebook und meine Bilder inklusive Texte gefunden hatten und sie mir nun per Stick oder CD auf dem Postweg zukommen lassen.
Das war auch noch mal einen Schrei, einen Freudenschrei, wert!
Ich konnte es kaum fassen, dass sich selbst diese „Katastrophe“ zum Guten wendete.

Somit nahm Alles an dieser Reise irgendwie einen guten Ausgang.
Bis auf Eines...

Vielleicht soll das viele Gute, dass mich erreichte, das mir geschenkt wurde, die Waage sein zu dieser einen endlosen Traurigkeit.
Es ist, wie es ist...

30 Kofferbänder

Es gibt ihn noch: den ganz ruhigen, ganz normalen, ganz pünktlichen Flug!
Keine Vorkommnisse. Es ist 21 Uhr. Ich stehe am Gepäckband im Flughafen Berlin Schönefeld und warte auf meine Tasche. Überlege, ob ich mir ein Taxi zur Wohnung meiner Schwester leiste oder die S-Bahn nehme. Tja, und da ist es wieder, dass Gefühl, an der falschen Kasse zu stehen oder diejenige zu sein, deren Tasche als Letzte vom Band rollt.
Komisch nur, dass allmählich der Blick von vier weiteren Mitreisenden auf das leerer werdende Kofferband meinem suchenden Blick immer ähnlicher wird. Bis, ... ja, bis plötzlich auf der Anzeigetafel über dem Kofferband der Satz aufleuchtet:
„Diese Gepäckausgabe ist beendet.“
Ich nehme mich wahr, wie ich mit leerem Blick und großen Augen auf ein Kofferband stiere, auf dem gerade mal noch ein grüner Rucksack und eine Metallbox herrenlos ihre Runden ziehen.
Katastrophenerprobt, wie ich nach dieser Woche bin, scheine ich die Situation als erste zu verarbeiten und gehe auf die netten Beamten vom Zoll zu. Die scheinen schon zu ahnen, was jetzt kommt. Lächelnd beruhigend, schicken sie uns alle zum Gepäcksuchservice des Flughafens. Eine junge Frau aus Polen findet das Fehlen Ihres Gepäcks überhaupt nicht lustig; eine junge Frau aus Berlin ist durcheinander, hat so etwas noch nicht erlebt. Aber wenigstens kann sie sich mit ihrer Erschrockenheit in die Arme ihres Liebsten fallen lassen,
der in der Halle auf sie wartete.
Ich beneide sie um diesen Augenblick ...

Ich selbst sitze eine viertel Stunde später in einem Taxi, dass ich mir nach diesem erneuten kleinen Vorkommnis zum Abschluss dieser Reise ganz ohne schlechtes Gewissen und ganz ohne Gedanken an meine Hausbank leiste. Mit dem Gepäcksuchservice hatte ich zuvor noch vereinbart, dass ich auf meiner Heimfahrt am nächsten Tag am Flughafen halt mache und nachfrage, ob mein 19, 38 kg schweres Täschchen mit dem Morgenflieger aus Olso eingetroffen ist ...
oder ob es nun nach Lappland unterwegs ist.

Die Autofahrt vom Flughafen bis zur Strahlau-Halbinsel reicht aus, um dem netten Taxifahrer die wesentlichsten Katastrophen- und Glücks-Momente meines Trips nach Norwegen zu erzählen. Er bestätigt mir beim Abkassieren,
dass er lange keine so unterhaltsame Fahrt hatte.

Das Ankommen in Familie tat unendlich gut!
Ich dachte in dieser Nacht mit gemischten Gefühlen an meine leere Wohnung, ...
dachte zurück
an das kleine Zimmer mit Matratze in der Halogalandgatan 12
und die Schweiz-Fraktion mit Sophie und Priska im Nebenzimmer,
sah die schaukelnden Boote im Hafen,
die Gesichter von Ann Karin, Sindre, Jens Peter, Hans, Lina, Knut, Hilde, Nils, Rolf Cato,
....
und schlief hinüber,
in eine unruhige, traumlose – wieder in Dunkelheit eingehüllte - Nacht.

Für die letzte Etappe dieser Reise stand mir wieder mein kleines blaues Wägelchen zur Verfügung. Es hatte die Wartezeit in Berlin heil überstanden. Ich gebe zu, dass mir die Beweglichkeit eines eigenen Autos in Bodø sehr fehlte. So beschränkte sich der unabhängige Entdeckerradius dieser Woche auf die Stadt (ausgenommen der „Mitfahrgelegenheit“ nach Kjerringyø per Leihauto und Fähre).
Ich konnte am nächsten Morgen nach fantastischem familieren Frühstück meine Tasche vom Flughafen abholen und genoss die Fahrt im eigenen Auto nach Hause,
wenngleich die Gedanken nicht mit den gemütlichen und
Sprit sparenden 120 kmh mitkamen.
Sie hingen - und hängen noch immer - in Bodø.

29 Wiedersehen in Oslo

Und sie wollen nicht enden, die kleinen und großen Wunder.
Ich sitze mit einer großen Trinkschokolade, einer kleinen Tafel fester norwegischer Schokolade und einer Tüte Nussmischung auf dem Flughafen in Oslo. Auf dem selben Platz in der Abflughalle, auf dem ich schon auf dem Hinflug das Warten überstanden hab. Und wieder richte ich mich auf 5 Stunden ein. Ich schaue auf, blicke in die Gesichter der vorbeilaufenden Menschen ... bis ich in einem lächelnden Gesicht hängen bleibe.
Es ist Ranghild, die junge Frau aus Bodø, die jetzt in London lebt, mit der ich mein Anreiseabenteuer geteilt hab und die mich in Bodø nach unserer Ankunft sicher bis ins Gjaestegard begleitet hatte. Zunächst verwechsle ich sie mit Camilla, der anderen jungen Frau vom Hinflug, die ihre 2 Wochen junge Tochter Lucia dabei hatte. Peinlich. Plötzlich ist da ein komisches Gefühl ... Ungewissheit, wie viel Zeit eigentlich vergangen ist.
Doch dann erzählen wir uns unsere Erlebnisse in Bodø -
sie als Besucherin ihrer Heimat, ihres Elternhauses, ihrer Freunde. Ich als Besucherin einer mir fremden Stadt, eines fremden Landes. So verkürzen wir uns gegenseitig die Wartezeit, denn auch ihr Flieger sollte erst in vier Stunden abheben. Ihr Englisch wird immer schneller und ich immer müder. Immer öfter setzt bei mir ein Lächeln ein, das verstehen signalisiert, wo eigentlich keins mehr sein kann. Es bleibt Zeit für eine sms an Sophie und Priska. So erfahre ich, dass die Beiden inzwischen seit drei Stunden mit Onkel Guido im Auto sitzen.
Es scheint uns in diesem Moment gleich schwer zu gehen.

In Oslo beginnt es zu regnen. Alles, was an Unerwartetem, Hellen mit der Annäherung an Bodø zunahm, scheint nun umgekehrt wieder grau zu werden.
The amazing things ... bleiben sie die Wunder dieser Reise? Oder kann ich mir das Gefühl bewahren, offen zu bleiben für den nächsten, unberechneten Augenblick? Schaffe ich es, weniger vorauszudenken, weniger zu zerdenken, was da an Leben noch auf mich zukommt?
Schaffe ich es, den Augenblick anzunehmen, dabei innerlich Neugier, kindliche Freude und kämpferische Lust zu spüren, die gut tun, die bewegen?
Ich weiß es nicht.
Ich rede mit Ranghild über das Leben in fremden Land.
Sie ist in Bodø, Nordnorwegen aufgewachsen, lebt nun in London, hofft in Italien Arbeit und Leben zu finden. Sie ist aus Bodø aufgebrochen, ich denke gerade darüber nach, nach Bodø auszuwandern.
Verkehrte Welt!
Die sms einer lieben Freundin brachte es vor einigen Tagen auf den Punkt:
„man sehnt sich nach den Orten, an denen man gerade nicht sein kann“.
Es liegt also nicht an den Orten,
es liegt an, in uns – aufbrechen zu wollen!


Ich merke in diesem Moment des Wartens, dass ich tot müde bin.
Und das wir Deutschen doch irgendwie erkennbar sind. Denn ich sitze inzwischen am Gate meines Abfluges nach Berlin – ich sehe uns Deutsche,
spüre es mit den Menschen, die mit mir hier warten und irgendwann in die Maschine steigen.
Im Rausch zwischen Halbschlaf und Erinnerung, zwischen Erde und Universum,
hämmert immer wieder ein Gedanke in meinem Kopf:
Wenn ich länger aufbrechen will, muss ich es jetzt entscheiden.
Jetzt, hier ... im Niemandsland, Nimmerland!?
Bin ich erst zu Hause, halten mich die Freunde, die Familie, das gewohnte eingerichtete Leben. Aber kann frau eine solche Entscheidung auf einem Flug von Bodø nach Berlin treffen? Hab ich es unbewusst schon entschieden, als ich zwei Tage vor Abreise, an diesem warmen, sonnigen Samstagmorgen mit Kaffeebecher, Rosinenbrötchen und der regionalen Zeitung „Avisa Nordland“ im Hafen von Bodø saß und Stellenanzeigen lass?
Ich bin durcheinander, müde. Denk-Pause ... Der Flug nach Berlin wird aufgerufen.

28 Abschied

Mandag, 11. August 2008

9 Uhr 30. Ein Taxi bringt mich vom Skagen Hotel zum Flughafen. Ich sitze mit einem letzten norwegischen Kaffe und einer Abschieds-Iscrem med Sjokolade am Gate 14, warte auf den Aufruf für den Flieger, der mich über Olso wieder nach Berlin bringen soll. Ich denke daran, unter welchen Umständen ich vor 10 Tagen hier gelandet bin... kann darüber still lächeln und frage mich, ob der Rückflug ohne Pech und Pannen verlaufen wird.

Die riesigen Glasfronten der Wartezone geben den Blick frei auf die 1000 Meter hohen, teils noch mit Schnee bedeckten Berge, die landeinwärts die Stadt Bodø umlagern. Es ist schön, sie noch einmal zu sehen. Ich stehe lang am Fenster, wehmütig, erfüllt, glücklich, fragend, sehnsüchtig, stolz, traurig, ... in allem Ruhe und Stille spürend.
Vor meinem inneren Auge drehe ich mich um, weiß, das ich nun
auf das Meer, die Molo, die Boote in der Marina,
auf Supermarkt und Kiosk im Hafen,
auf die Felsrücken der Nyholms Skanse, Kerringøy, den Keiservarden,
das Skagen Hotel mit dem Org.Büro des Festivals,
das Radisson SAS Hotel und Thon Hotel,
unser Haus in der Hålogalandsgata 12,
das Stadtzentrum mit dem Bodø Torg und der
überdachten Einkaufsstrasse,
...
auf eine mir vertraut und lieb gewordene Stadt und ihre Menschen blicken würde.

Noch fehlen so viele Beschreibungen, so viele Worte im Reisetagebuch. Sie zu finden in den Erinnerungen ist eine Aufgabe, die ich mit nach Hause nehme. Hier auf dem Flughafen, am Gate 14, zwanzig Minuten vor Abflug versuche ich, für mich wichtige Resümees dieser Reise festzuhalten:
...Mit dieser Art Aufbruch kann frau sich SELBST etwas unendlich gutes tun!
...Es gibt ihn, den norwegischen Reiseengel, der frau das Gefühl gibt, mit allen Schwierigkeiten und Unwegsamkeiten hervorragend fertig zu werden!
...Es ist ein Geschenk zu Lieben, und es ist Größe, sich dieser Liebe
- auch unerfüllt – nicht zu unterwerfen!
Jeg har snakke norsk og engelsk, so mye. Og jeg vil laere till snakke en bedre norsk, for jeg vill kommer till bake neste ar till Bodø! Die Hinwendung zu einer fremden Kultur macht neue Freunde in dieser knallbunten Welt!
Und:
Es gibt Kraft und Selbstvertrauen, sich auf unbekanntes Leben einzulassen.
ES MACHT SINN, LOSZUGEHEN!

Ich blicke noch einmal auf die Berge rund um Bodø.
Finde es immer noch verrückt,
dass mich die Homepage der http://www.nmfu.no/,
der liebe Gott (er muss auch ein Norwegenfan sein!),
die große Mutter Natur (sie muss Mari Boine ihre Stimme geliehen haben)
oder einfach nur mein Leben hier her nach Bodø, dieser Stadt in Nordnorwegen, geführt hat.

Tagebucheintrag Flughafen Bodø, 11.August 2008:
„... Könnte mir vorstellen, hier zu leben.
Bin dankbar für die kleinen und großen Wunder, die mir auf dieser Reise geschenkt wurden.“

27 Der letzte Ton verhallt

So wurde dieses Konzert selbst zu einer Reise,
die mich den Kulturen des Nordlandes näher kommen lies...
mit der Stimme Mari Boine’s,
mit einer einfühlsam und intensiv von Susanne Lundeng gespielten Violine, begleitet von den Flötistinnen Elisabeth Kristensen Eide und Ellen Jenssen und den Musikern der Gruppe Transjoik:

Frode Fjellhem (Komposition, Synthesizer & Gesang)
Nils-Olav Johansen (Bass & Gesang)
Tor Haugerud (Percussion & Gesag)
und mit dem Urklang des „brummeren“ – gespielt vom Perkussionisten und Sänger Snorre Bjerck, ebenfalls Mitglied der Gruppe Transjoik. Die Kompositionen waren ein Auftragswerk der Nordland Musikkfestuke, das Konzert eine Uraufführung, gefördert durch den Norwegischen Kulturrat. In Harmonie von Musik, Natur und Mensch verhallt der letzte Ton.

Verhallt der letzte Ton der Nordland Musikkfestuke 2008.

26 Der brummende Stein

Und dann plötzlich ein leises gleichmäßiges brummen.
Mit ebenmäßigem Klang erfüllt es die Luft. Einem Klang aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, als die Steine noch sprechen, noch ‚brummen’ konnten.
Der Klang wird geboren aus der rotierenden Bewegung eines länglichen Steins, der an einer Schnur in schneller kreisender Drehung über dem Kopf des Spielers ähnlich einem Lasso geschwungen wird. Die Luft, der Stein und die geschwinde Bewegung erzeugen einen archaischen Klang, ein „brummen“ .
Dieser Klang gab dem Instrument seinen Namen: „brummer“
Das Programmheft zum Konzert, dass wir unter Einsatz all unserer Magenmuskeln auf der Fahrt zum Saltstraumen im Auto von Ann Karin falteten, gibt dazu folgende Auskunft:

‚Jeder Ort hat seinen eigenen Klang und seine eigene Musik. So wird die Musik geformt aus dem Ort, wie auch aus der Natur und nicht minder durch die Menschen und die verschiedenen Kulturen, die hier im Umland existieren.
Zentraler Bestandteil des Auftragswerkes ist der „brummeren“ – ein 5000 Jahre altes Instrument, dass vom Archeologen Hein Bjerck 1991 bei Tuv gefunden wurde. Im Konzert kannst Du den Klang eines „brummeren“ hören – den Hein Bjerk für eine Aufnahme in Zusammenarbeit mit dem NRK (Norwegisches TV) nachmachte. Gleichsam zentral ist die Inspiration der Orte für die neuere Musik – ein Volkston aus Tov und ein altes Kirchenlied geprägt vom samischen Joiken. Die Musik ist komponiert von Frode Fjellheim unter dem Einfluss traditioneller Elemente und nicht minder geprägt von arrangierten und kompositorischen Beiträgen der mitwirkenden Musiker. Das „Joiken“ übernimmt Mari Boine – arrangiert in Gemeinschaft mit dem Ensemble.
Niemand weiß, wofür der „brummende Stein“ von Tov gebraucht wurde, aber aus dem Wissen über ähnliche Instrumente in anderen Kulturen könne wir annehmen, dass er einen zentralen Platz in der Kontaktaufnahme mit dem Übernatürlichen hatte. Charakteristisch für den „brummenden Stein“ ist sein nicht vorhersehbarer Klang – und sein Pulsieren im eigenen Rhythmus. Aber wenn der „bummeren“ plötzlich „zuschlägt“, erschafft er einen brummenden Puls, welcher sicher die Steinzeitmenschen ebenso faszinierte wie uns heute.“
Ja, die Symbiose aus Ort, Mensch und Natur faszinierte.
Aus ihr entstand eine Musik, entstanden Klänge - die natürlicher nicht sein konnten. Ich wandte mich von der Bühne ab, um auf einen kleinen Hügel zu gehen, auf dem sich schon andere Konzertbesucher einen guten Platz gesucht hatten. Plötzlich erklang die Stimme Mari Boine’s. Ich hatte auf meinem Weg nicht bemerkt, wie diese kleine, ruhig wirkende Frau von ihrem Platz auf der Bühne aufgestanden und an das Mikrophon getreten war. Ihre Stimme erreichte mich warm und doch fremd, als käme sie aus einer anderen Zeit, einem anderen Leben. Unendliche Erdung ging von ihr aus, ebenso innig wie sanft wie sehnsüchtig wie fordernd. Meine Sinne vermischten sich. Wurden Eins im Klang der Musik und dem Blick in das umgebende Land.
Die Stimme Mari Boine’s fährt unter die Haut, ihr nordischer Gesang schickt den Blick hinunter über das breite, silbern schimmernde Wasser des Malstroms, wieder hinauf zu den Bergen, deren Gipfel sich gerade vom Zauber des Himmels berühren lassen. Ich kehre zurück vor die Bühne, setze mich unmittelbar davor auf den Boden, schließe meine Augen und verliere mich – im Klang, im Ort, im Augenblick, im SEIN.
Ich war angekommen...

25 Saltstraumen

Nach einer Woche des Musikfetsivals sagen mir also die Namen um Mari Boine etwas und ich kann nur ahnen, was mich da an großartigem musikalischen Erlebnis erwartet. Dazu kommen die schwärmerischen Ankündigungen der Bodø’er von der natürlichen Kulisse des Konzertortes, dem Saltstraumen.
Er ist der größte nördliche Malstrom Europas. Meine Ahnungen sollten weit übertroffen werden – auf typisch nordländische Weise.
Vor der Abfahrt drückte uns Ann Karin noch eine Kiste mit ungefalteten Programmheften in die Hand. Bis zur Ankunft am Saltstraumen mussten sie gefaltet sein. So fuhren wir, zu Dritt auf dem Rücksitz ihres PKW’s im Akkord Programmhefte faltend, durch eine irre schöne Landschaft im Hinterland von Bodø. Programmhefte in einem Auto zu falten hat so ziemlich die gleiche Wirkung wie Lesen im Auto. Nach zwanzig Minuten Fahrt war uns allen drei hundeübel. Heldinnen, die wir aber waren, kamen wir ohne „Aussetzer“ und mit einer Kiste gefalteter Programmhefte rechtzeitig am Saltstraumen an.
Gleiche Zeremonie wie bei allen Konzerten: Begrüßung der anderen – inzwischen vertrauten –Freiwilligen, Positionierung auf dem Weg der Besucher zwischen Kartenkontrolle und Bühne, lächeln und den Satz auf den Lippen: „Vil du ha en program?“.
Sie wollten ein Programm, die etwa 200 Besucher des Konzertes. Und so blieb mir schnell Zeit, den Ort, die Bühne, die Menschen, die natürliche Kulisse wahrzunehmen. Das Areal, auf dem die Bühne stand, gehörte zu einem touristischen Center mit Campingplatz und Hotel. Das erhöht liegende Plateau gab den Blick frei auf eine riesige Brücke, die sich über den breiten Malstrom spannte. Ließ man dem Blick über die Brücke freien Lauf, führte er zu dem, was erhaben, unnahbar und bizarr über dieser Szenerie lag:
die Gipfel einer über 1000 Meter hohen Bergkette am Horizont.
Kehrte der Blick, kehrte die Seele vom kurzen Flug in den Himmel wieder in die gegenwärtige Realität zurück, tauchte sie davor noch einmal ein in den Strom, der sich unterhalb des Plateaus ausbreitet und in einer breiten flächigen Biegung wie ein gigantischer See anmutet.
Auf ihm Boote, an seinen Ufern Angler, Holzhäuser, Hütten, Höfe. Leben.

Über allem Sonne, Wolken, Licht. Frieden.

24 Das letzte Konzert

Sonntagmorgen. Mein letzter Tag in Bodø.
Ich sitze am Küchentisch in der sonst leeren Wohnung. Einzelne Möbel stehen noch in dem offenen Wohnbereich, doch die Regale, Küchenschränke sind leer. Die Hülle steht, doch das Leben darin ist ausgezogen. Der Tisch, an dem ich sitze, steht unmittelbar neben den großen Fenstern, die zur Straße zeigen. Sonntagmorgen in der Hålogalandsgata 12 in Bodø ist so ruhig wie Sonntagmorgen in der Mogkstraße 30 in Sangerhausen. Dieser 10. August beginnt mit einer Entscheidung, beginnt mit einem Brief, einem Rosinenbrötchen und einer Banane. Letzterem folgt zum Glück noch ein Frühstück im Skagen Hotel. Im Orgbüro scheint allmählich die Endstimmung Einzug zuhalten, die so typisch ist für die letzte Phase eines anstrengenden, großen Ereignisses.
Im Frühstücksraum des Hotels tauchen neue, unbekannte Gesichter auf. Gesichter „normaler“ Hotelgäste, die nichts mit dem Festival zu tun haben. Noch einmal habe ich Gelegenheit für ein längeres Gespräch mit der Rostocker Hotelangestellten. Sie ist vor etwa zwei Jahren mit ihrer Familie nach Bodø gezogen, arbeitet im
Skagen Hotel. Sie erzählt von ihren Erfahrungen des Ankommens, davon, dass es in Norwegen eine Krankenkasse für alle gibt und sich somit der Stress des Suchens und Abwägens nach der geeigneten Kasse erübrigt – für Neuankömmlinge eine große Erleichterung. Sie erzählt davon, dass ihr Kind gut betreut wird, dass sie einen sehr guten Sprachkurs besuchen konnte, dass mehrere hundert Deutsche in Bodø leben. Und sie erzählt, dass es nicht das Problem ist, einen einfachen Starterjob und eine kleine Wohnung zu finden. Sie gibt mir www-Adressen zum Einlesen, zur Jobsuche und ein Link zu einem Forum. Ich verabschiede mich von ihr in der ehrlichen Hoffnung, sie wieder zu sehen –
wenigstens als Freiwillige der Nordland Musikkfestuke im nächsten Jahr.

Sonntagmittag. Endlich ist es soweit. Gegen 13 Uhr brechen Ann Karin, Sophie, Priska, ein weiterer netter Freiwilliger und ich zum Saltstraumen auf. Ich bin auf dem Weg zu meinem zweiten persönlichen Konzerthöhepunkt dieses Festivals.
Mari Boine. Im Konzert mit der Violinistin und Sängerin Susanne Lundeng, dem Pianisten Frodo Fjellheim und der Gruppe Transjoik.

Zwischenblende:
Als ich später von dem Konzert erzählte, kannten sehr wenige den Namen
Mari Boine. Nur Kennern der nordischen Musik ist sie hier in Deutschland ein
(Inn-)Begriff. Noch weniger sind die Namen Lundeng, Fjellheim, Transjoik hier in Mitteldeutschland bekannt. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, ist es ein unglaublich schönes Gefühl, zu wissen, dass hinter diesen Namen große Musiker stehen. Es ist das Gefühl, eine Wissenslücke gefüllt zu haben, reicher zu sein.
Auch wenn es bei diesem Wissen um eine musikalische Erfahrung geht.
Wie wunderbar ist Musik. Welcher Reichtum geht von ihr in jeden über,
der sie erfahren, erspüren, erdenken, erLEBEN kann.
Ich bin dankbar für diesen Reichtum in mir. Und neugierig auf jede neue Entdeckung.

23 Nachtkaffee

Für Sänger Ketil Hugaas sollte es nicht das letzte Konzert des Festivals sein. Noch im Rausch dieses Klangerlebnisses beginnen wir Freiwilligen den Saal zu räumen, stapeln die Stühle, sammeln Becher, Dosen und Wasserflaschen ein (getrennt, denn auf die Plasteflaschen und Dosen gibt’s in Norwegen noch Pfand).
Um anschileßend von einem Konzert sofort ins nächste zu laufen. Ich bin mit Sophie und Priska auf dem Weg ins SAS-Hotel. Als wir den kleinen Saal mit Clubatmosphäre betreten, geht dies fast nicht mehr, so voll ist es. Die Norweger in Bodø scheinen auf Big Band zu stehen. Doch mit einem Blick ins Programmheft erschließt sich mir das Geheimnis: Im letzten nächtlichen Konzert dieses Festivals präsentiert sich die Bodø(!) Big Band! Heimspiel also. Ich gehe mal davon aus, das mindestens 2/3 der Besucher im überfüllten Saal mit einem der Bandmitglieder verwand, verschwägert, befreundet oder benachbart sind. Und da es in einer Big Band viele Bandmitglieder gibt, kommt da schon einiges zusammen. Doch nicht nur aus Fantreue gab es Grund, dem Konzert zu lauschen. Auch die regionalen (Amateur!?) Musiker brillieren mal wieder mit erstaunlichem spielerischen Können. Sänger Ketil Huugas hat Frack und Fliege für diesen Abend an den Nagel gehangen, nimmt gut gelaunt hinter einem E-Piano platz.
Leger, witzig moderiert er diesen Abend, intoniert anspruchsvolle Unterhaltung von Jazz über Gospel über Musical bis Pop. Und wieder ist das Publikum von Beginn an beschwingt dabei, feiert mit den Musikern und Festivalmachern das Leben und die Musik. Ich stehe mit Priska und Sophie neben der Eingangstür an die Saalwand gelehnt, lasse den Blick immer wieder durch den Saal schweifen. Sehe bekannte und unbekannte Gesichter. Die Türen an der gegenüberliegenden Saalseite sind geöffnet, sie führen auf die Hotelterrasse mit Blick auf die Marina, die Hafeneinfahrt, das Meer. Ungezwungene Leichtigkeit liegt über dieser Nacht. Nicht für mich. Ich will ans Wasser, entschließe mich, nicht den Kampf quer durch den Saal an den Kniescheiben der Gäste vorbei aufzunehmen, um so auf die Terrasse und von da zur Marina zu gelangen, sondern gehe durch die Hotellobby nach unten ins Freie.
Der Hafenkiosk hat 24 Uhr noch geöffnet. Wunderbar. Ich hole mir einen Kaffee, lausche von der Straße her den letzten Liedern von Big Band und Opernsänger. Swing Low, ja...ein gutes Motto für diesen letzten Tag in Bodø,
der gerade begonnen hat...

Am vorletzten Abend dieser Nordland Musikkfestuke scheinen auch Sophie und Priska endgültig in Bodø angekommen zu sein. Mit ihrem jugendlichen konditionellen Durchhaltevermögen gehen sie nicht mit mir nach dem Dienst in unsere Wohnung zurück, sondern stürzen sich ins Nachtleben der Stadt. Entsprechend spät sollte ich sie am nächsten Tag wieder sehen.
Ein lieber Freund bescheinigte mir mal, dass ich mich unendlich schwer tue, Abschied zu nehmen. Stimmt, gäbe es darin eine olympische Disziplin – ich hätte ein Dauer Abo auf das oberste Treppchen bei der Siegerehrung. Vor mir liegen noch gut 30 Stunden in Bodø, doch der Weg vom SAS Hotel bis zur Wohnung wird in dieser vorletzten Nacht ein sehr einsamer, nachdenklicher.
Das Bewusstsein um mehr als einen Abschied begleitet mich dabei.

22 Kroumata

Kroumata – nein, das ist nicht die medizinische Bezeichnung irgend einer inneren Blutbahn, sondern ein Name, der für erstklassige Percussion steht.

„.... Schlagwerkensemble feiert sein 30jähriges Jubiläum im Bodø Spektrum mit neuen Toninstrumenten und einem verrückten Programm.“
So lautet die Ankündigung des Konzertes im Programmheft des Festivals.
Als ich mit Sophie und Priska die riesige Halle zwei Stunden vor Beginn des Konzertes betrete, übt mein Perkussionsherz einen kurzen freudigen Aussetzer: Auf der nun wirklich nicht kleinen Bühne tummeln sich Schlagwerke unterschiedlichster Art, Anzahl und Größe. An materiellem Wert gemessen stand auf der Bühne wahrscheinlich mehr Geld, als ich je in meinem Leben besitzen werde. 3 Marimba- bzw. Xylophone, eine Armada von Kongas und Bongos, Gong’s in allen Varianten und Größen, eine japanische Trommel, ein Schlagzeug, Cajon’s,...vom ganzen kleinen „Geraschel“ mal abgesehen. Der Saal war noch leer, die Bühne auch. So nutzte ich die Zeit zwischen Einweisung in den Dienst (ich hatte die verantwortungsvolle Aufgabe der Brandschutztürwächterin vorn links) und Konzertbeginn, um die Instrumente im Bühnenlicht zu fotografieren. Am Ende, nach dem Konzert, sollten wir Gelegenheit haben, die edlen Teile abbauen zu helfen. Ach, wunderbar ... aufräumen zählt ja nun nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber wenn es um Percussion und Rhythmus geht, kann ich selbst dieser Tätigkeit etwas reizvolles abgewinnen. Ich träumte mal kurz den idealisierten Traum vom Roady-Leben für ein Percussionsensemble... und weiß jetzt, warum die Jungs Oberarme haben wie ich Unterschenkel. Beim Abhängen des Gongs mit Durchmessern von etwa einem Meter beneidete ich QuerflötenspielerInnen um ihr Instrument.
Da es das letzte Konzert der Musikfestwoche im Bodø -Spektrum war, galt es neben dem Instrumentenabbau noch mehrere hundert Stühle der Saalbestuhlung zu stapeln und abzutransportieren. Die Energie des gerade erlebten Konzertes lenkte sich unmittelbar in die Energie unserer Arme und Beine.



Kroumata. Das Konzert selbst war ein Klangerlebnis besonderer Güte.
Ich sitze allein auf einem Stuhl vorn links an der Brandschutztür. Später, nach der Pause, werde ich den zweiten Teil des Konzertes von der hinteren Zuschauertribüne unmittelbar gegenüberliegend der Bühne erleben.
Die Klanggeschichten, die die Musiker in Anzügen auf der Fülle von Instrumenten erzählen, sind so verschieden: Da ist eine Uraufführung als moderner percussiver Mix aus instrumentalen und vokalen Klängen, die aus der Kehle des Opernsängers der königlichen Stockholmer Oper, Ketil Huugas, stammen. Da ist ein Stück für drei Cajon’s ... ein Zauber, was aus diesen Klangkisten an Tönen geboren werden kann. Und da ist das orchestrale Zusammenspiel aller Instrumente, das mit leisen, tropfenden Tönen beginnt, den Klang mehr und mehr bloß legt, um im wuchtigen Sound der Trommeln und Schlaginstrumente Energie freizusetzen. Großartig! Worte können es nicht wirklich fassen.
Bleibt nur der gute Rat: selber hören!

21 Finale der nmfu

Loerdag, 9.August – Soendag, 10. August 2008

Der Eine geht mit sich selbst zufrieden eine Zeitung kaufen.
Der andere erwacht endgültig aus einem Fremd- und Selbstbetrug.
Beides geschieht womöglich irgendwo auf einem asphaltgrauen Parkplatz, vor einem kleinen unbedeutenden Supermarkt auf dieser knallbunten Welt.
In einer Liedzeile des Sängers LÜÜL heißt es:
„So klein ist Großes grad gescheh’n“

Ja, so klein, so unscheinbar können die Momente des Lebens sein.
Und dabei so gleichzeitig. Und dabei so verschieden.
Braucht es die Fremde, um einen Tag, einen Ablauf, einen Gestus, ein Gesicht anders und bewusster wahrzunehmen? Ist es das Fremde, das unsere Wahrnehmung durch die Summe der Andersartigkeiten hindurch am Ende auf eine wesentliche, intensive Entdeckung, Erkenntnis oder Erfahrung hin fokussiert?
Wenn mich diese Reise eins gelehrt hat, dann dies:
In allem Guten und allem Schweren liegt – über das eigentlich Geschehene hinaus - noch ein zweiter Sinn. The both sites of the Story!

Das Festival neigt sich seinem Ende entgegen. Es ist Samstagmittag.
Über Nacht vollzog sich eine Veränderung in der Stadt. Am Loevoldkai liegt nun die Fähre der Hurtigrouten. Als hätte jemand über Nacht ein Haus gebaut, fügt es sich zwischen die Geschäftshäuser an der Storagatan – der Hauptstraße der Stadt - ein, überragt sie. Ein schwimmendes Haus, das über Nacht kommt und über Nacht geht. Ein Haus ohne Heimat.
Die Gangway für die Passagiere endet auf einem freien Platz. Und an diesem Vormittag in einer Menschenmenge von mehr als 400o Norwegern und Nichtnorwegern. Sie sind allein oder in Familie gekommen, um mit den Künstlern Terje Nilsen und Morten Abel & Band den Abschluss der Nordland Musikkfestuke einzuläuten. Ich weiß nicht, ob dabei der Faktor
„kostenloses Konzert“,
der Bekanntheitsgrad der Künstler oder einfach
die norwegische Lebensart, am Wochenende das Leben und die freie Zeit zu genießen, der Grund für die entspannte Atmosphäre und die vielen Menschen auf dem Platz waren. Samstagmittag in Sangerhausen gibt einem das Gefühl, diejenige zu sein, die verpasst hat, rechtzeitig zu gehen. Samstagmittag in Bodø gibt einem das Gefühl, diejenige zu sein, die verpasst hat, rechtzeitig zu kommen. Ich frage mich, wo die 4000 Besucher dieser 40.000 Einwohnerstadt in der Woche waren. Es gibt wohl eine logische, aber für deutsche Kleinstädte inzwischen ungewöhnliche Erklärung:
Sie waren an den Werktagen arbeiten! Denn in Norwegen gibt es noch Arbeit. Und so haben Sie wohl das ausgleichende Bedürfnis und die materielle Kraft,
an den Sonn- und Feiertagen das Leben zu genießen. Im Sommer, im Licht und unter dem blauen Himmel dieses sonnigen Samstages, natürlich draußen,
in der Stadt, im Hafen, ...

Während Sophie den verpassten Schlaf der letzten Nacht nachholt, gehe ich mit Priska noch einmal zum Glashaus, dem Stück Straße, dass die Norweger kurzerhand einfach mit Glas überdacht haben. Den stürmischeren Tagen, die es hier wohl auch geben muss, zum Trotz. Im „Glashuset“ fehlt es an fast Nichts, was es auf mitteleuropäischen Einkaufsmeilen nicht auch gibt. Ein Kino, ein Bankautomat, ein Eiscafé, ein Burgerking und nicht zu vergessen: ein H&M. Aber was es in deutschen großstädtischen Einkaufstempeln nicht oder kaum noch gibt, ist der kleine
Tante Emma Zeitungsladen. In Bodø, im „Glashuset“ gibt es ihn noch - und somit die Sicherung unserer Grundversorgung mit der örtlichen Tagespresse „Avisa Nordland“ mit Berichten über das Festival, (Süddeutsche und Bild (hmmpff!) liegen auch aus), Briefmarken, Iskrem med Sjokolad und – zu Priskas Freude einer MegaTrinkschokolade für umgerechnet 2,50 €.

Es gab zwei Konzerte, auf die ich mich besonders freute, seit ich das Festival-Programm im Internet gelesen hatte: eins davon sollte an diesem Samstagabend im „Spektrum“ stattfinden, dem Kultur- und Freizeitzentrum der Stadt, in dem auch schon die Operngala rauschend zwischen Basketballkörben in Hallenatmosphäre gefeiert wurde.

20 Hurtigrouten


Ich kann in der „Dämmerung“ (um 24 Uhr!!) nur ahnen, wie viel Besucher sich zur Landzunge auf den Weg gemacht haben. Gemessen am Applaus, den die umliegenden Felsrücken in die Stadt zurückwerfen, sind es viele. Ich bin auf der Mole nicht die einzige Mithörerin dieses nächtlichen Konzertes. Auf den Bänken machen es sich junge und alte Musikliebhaber „gemütlich“, sofern man bei ca. 9 Grad Nachttemperatur und einer Luftfeuchtigkeit, die auf meiner Tasche eine geschlossene Wasserdecke hinterlässt, von Gemütlichkeit reden kann. Doch ich werde für Kälte und Einsamkeit entschädigt. Und wie!
Nicht nur akustisch, sondern auch optisch:
Es ist Mitternacht, als sich die Lichtkegel der Bühnenscheinwerfer mit den ersten Tönen der Trompete über die Zuschauer und die Felsen der Landzunge legen. Noch vermischen sich die Töne von Nyholms Skanse mit dem mulmigen Sound eines Alleinunterhalters, der im SAS Hotel auf der Landseite für Party-Stimmung sorgen soll. Zum Glück überlässt dieser aber bald die Nacht und den Raum über der Marina dem Klang der Trompete.
Ahhh..... man, frau kann sich diesem Augenblick nur ergeben. In ihrer Silhouette heben sich die Felsrücken in der Bucht von Bodø gegen das immer noch vorhandene Licht dieser Nacht ab. Auf dem Meer spiegelt sich in langen Kegeln das Licht der Stadt. Angezogen vom Klang der Musik, treibt es noch einmal einige Segler hinaus aufs Meer, um vor Nyholms Skanse zu verweilen und ruhig wieder in die Marina zurückzukehren. Sie machen Platz für die Insel-Fähre, die kurz vor der Bucht ihre schnelle Fahrt drosselt und nun langsam in den Hafen gleitet. Das Konzert ist bereits beendet und es ist fast zwei Uhr, als die Fähre der Hurtigrouten um die Landzunge herum in den Hafen von Bodø einfährt und dabei die Musiker und Konzertbesucher mit einem Signal grüßt. Spontan klingt noch einmal ein Gruß der Trompete zum Schiff zurück und auf das Meer, hinaus in diese Nacht.
Der Klang der Musik, die Nähe des Meeres, das Leben der Stadt , das Licht der Nacht – alles begegnet sich in dieser Stunde nach Mitternacht als faszinierender Moment, der sich in Bewusstsein und Seele einbrennt.
Den Körper damit gegen Kälte und Feuchtigkeit trotzen lässt, die selbst mit Pullover und Wetterjacke unter die Haut kriechen. Mit dem Klang einer wunderschönen Konzertmusik gehe ich mit einigen anderen „Genießern“ über die Mole in die Stadt zurück. Die immer noch lebendig ist - inzwischen ist es kurz nach zwei Uhr morgens. Die Nächte scheinen hier im Sommer ihren Sinn als Nacht zu verlieren.
Sie werden für die Menschen zur Verlängerung des Tages,
so wie es die Natur mit der Verlängerung der hellen Zeiten ihnen vorgibt.

Es ist etwa 2 Uhr 45, als mich Priska im Skagen Hotel
bei Tee und Taschentuch abholt,
während Sophie schon in die Wohnung gegangen ist.
Wir fallen alle drei ziemlich erfroren in unsere Betten,
bzw. ich auf meine Matratze ... inklusive Pullover und dicken Socken.
God natt.

17 Kerringøy

Ein bekannter aus Deutschland tauchte plötzlich in Bodø auf. Mit ihm und seinem Leihwagen erfuhr ich mir die Halbinsel. Im puren nordischen Licht dieses Tages. Dieser Tag hatte sich die Haare locker aus der Stirn gestrichen, hatte sein Sommerkleid übergestreift und lief nun mit uns barfüßig der Zeit entgegen. Das plötzliche, völlig unerwartete Erlebnis einer kurzen Fährüberfahrt holte Erinnerungen an frühere Norwegenaufenthalte zurück. Innehalten. Wie sehr ich sie liebe, diese kurzen Fähraufenthalte im Niemandsland. Keiner anderen Aufgabe verpflichtet, als zu schauen und aufzusaugen, was das alte und neue Ufer um diesen Augenblick formt. Zwischen den einheimischen Pendlern und Geschäftsleuten sind wir als Tagestouristen unverkennbar, als wir mit hastigen Schritten kindlicher Ausgelassenheit die Treppe zum Oberdeck nehmen. Um nur schnell der Enge auf dem Cardeck körperlich und gedanklich zu entkommen. Oben angelangt, allein mit den Beibooten und dem Fährmann in seiner Kabine, gebietet der Anblick Stille, gibt Raum für erlösende und sehnsüchtige Tränen. Es genügt ein Schweigen vor der erhabenen Schönheit der Küste, des Meeres, des Himmels...
Die Landseite ragt still und trotzig mit seinen hohen Bergen und tiefen Wassereinschnitten dem Blick entgegen. Auf der anderen Seite der Reeling weitet sich das Meer, holt tief Atem im Licht der Sonne. Atmet wieder aus. Treibt das Schiff vor sich her. ...so lang, so lang ist es her. Zu lang. Und viel zu überraschend kam dieser Augenblick, als das es mehr braucht als Tränen und Schweigen und Erinnerung, um ihm gerecht zu werden. Wir rollen von der Fähre auf eine Küstenstraße. Sie gibt den Blick frei auf leere, sandige Buchten und Strände. Ehe wir so richtig ins Fahren kommen, verführen uns Licht, Strand, Meer und Stille zum Anhalten. Die Wärme, das Wissen um den verlorenen Sommer und die so lang angestaute Sehnsucht nach dem Meer entladen sich, als meine nackten Zehen sich in den Sand bohren. Die Füße lassen sich vom Wasser umspülen, bis sie vor dessen Kälte zurück in den warmen Sand flüchten. Meer und Berge sind dabei so nah, dass sie in einen „Augen-Blick“ passen. Sinne können sich nur ergeben:
dem Licht, dem Frieden, der Lebendigkeit. Ganz schlicht. Ganz still Kjerringøy. Ein Kleinod, in das wohl auch der Festival -Dirigent Roland Böer "geflüchtet" war. Ich entdeckte ihn samt Kind und Frau im Vorbeifahren in einer stillen Bucht beim „Nichtstun“.
Ein schönes, friedvolles Bild der kleinen Familie.