Freitag, 2. Januar 2009

29 Wiedersehen in Oslo

Und sie wollen nicht enden, die kleinen und großen Wunder.
Ich sitze mit einer großen Trinkschokolade, einer kleinen Tafel fester norwegischer Schokolade und einer Tüte Nussmischung auf dem Flughafen in Oslo. Auf dem selben Platz in der Abflughalle, auf dem ich schon auf dem Hinflug das Warten überstanden hab. Und wieder richte ich mich auf 5 Stunden ein. Ich schaue auf, blicke in die Gesichter der vorbeilaufenden Menschen ... bis ich in einem lächelnden Gesicht hängen bleibe.
Es ist Ranghild, die junge Frau aus Bodø, die jetzt in London lebt, mit der ich mein Anreiseabenteuer geteilt hab und die mich in Bodø nach unserer Ankunft sicher bis ins Gjaestegard begleitet hatte. Zunächst verwechsle ich sie mit Camilla, der anderen jungen Frau vom Hinflug, die ihre 2 Wochen junge Tochter Lucia dabei hatte. Peinlich. Plötzlich ist da ein komisches Gefühl ... Ungewissheit, wie viel Zeit eigentlich vergangen ist.
Doch dann erzählen wir uns unsere Erlebnisse in Bodø -
sie als Besucherin ihrer Heimat, ihres Elternhauses, ihrer Freunde. Ich als Besucherin einer mir fremden Stadt, eines fremden Landes. So verkürzen wir uns gegenseitig die Wartezeit, denn auch ihr Flieger sollte erst in vier Stunden abheben. Ihr Englisch wird immer schneller und ich immer müder. Immer öfter setzt bei mir ein Lächeln ein, das verstehen signalisiert, wo eigentlich keins mehr sein kann. Es bleibt Zeit für eine sms an Sophie und Priska. So erfahre ich, dass die Beiden inzwischen seit drei Stunden mit Onkel Guido im Auto sitzen.
Es scheint uns in diesem Moment gleich schwer zu gehen.

In Oslo beginnt es zu regnen. Alles, was an Unerwartetem, Hellen mit der Annäherung an Bodø zunahm, scheint nun umgekehrt wieder grau zu werden.
The amazing things ... bleiben sie die Wunder dieser Reise? Oder kann ich mir das Gefühl bewahren, offen zu bleiben für den nächsten, unberechneten Augenblick? Schaffe ich es, weniger vorauszudenken, weniger zu zerdenken, was da an Leben noch auf mich zukommt?
Schaffe ich es, den Augenblick anzunehmen, dabei innerlich Neugier, kindliche Freude und kämpferische Lust zu spüren, die gut tun, die bewegen?
Ich weiß es nicht.
Ich rede mit Ranghild über das Leben in fremden Land.
Sie ist in Bodø, Nordnorwegen aufgewachsen, lebt nun in London, hofft in Italien Arbeit und Leben zu finden. Sie ist aus Bodø aufgebrochen, ich denke gerade darüber nach, nach Bodø auszuwandern.
Verkehrte Welt!
Die sms einer lieben Freundin brachte es vor einigen Tagen auf den Punkt:
„man sehnt sich nach den Orten, an denen man gerade nicht sein kann“.
Es liegt also nicht an den Orten,
es liegt an, in uns – aufbrechen zu wollen!


Ich merke in diesem Moment des Wartens, dass ich tot müde bin.
Und das wir Deutschen doch irgendwie erkennbar sind. Denn ich sitze inzwischen am Gate meines Abfluges nach Berlin – ich sehe uns Deutsche,
spüre es mit den Menschen, die mit mir hier warten und irgendwann in die Maschine steigen.
Im Rausch zwischen Halbschlaf und Erinnerung, zwischen Erde und Universum,
hämmert immer wieder ein Gedanke in meinem Kopf:
Wenn ich länger aufbrechen will, muss ich es jetzt entscheiden.
Jetzt, hier ... im Niemandsland, Nimmerland!?
Bin ich erst zu Hause, halten mich die Freunde, die Familie, das gewohnte eingerichtete Leben. Aber kann frau eine solche Entscheidung auf einem Flug von Bodø nach Berlin treffen? Hab ich es unbewusst schon entschieden, als ich zwei Tage vor Abreise, an diesem warmen, sonnigen Samstagmorgen mit Kaffeebecher, Rosinenbrötchen und der regionalen Zeitung „Avisa Nordland“ im Hafen von Bodø saß und Stellenanzeigen lass?
Ich bin durcheinander, müde. Denk-Pause ... Der Flug nach Berlin wird aufgerufen.

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