Freitag, 2. Januar 2009

24 Das letzte Konzert

Sonntagmorgen. Mein letzter Tag in Bodø.
Ich sitze am Küchentisch in der sonst leeren Wohnung. Einzelne Möbel stehen noch in dem offenen Wohnbereich, doch die Regale, Küchenschränke sind leer. Die Hülle steht, doch das Leben darin ist ausgezogen. Der Tisch, an dem ich sitze, steht unmittelbar neben den großen Fenstern, die zur Straße zeigen. Sonntagmorgen in der Hålogalandsgata 12 in Bodø ist so ruhig wie Sonntagmorgen in der Mogkstraße 30 in Sangerhausen. Dieser 10. August beginnt mit einer Entscheidung, beginnt mit einem Brief, einem Rosinenbrötchen und einer Banane. Letzterem folgt zum Glück noch ein Frühstück im Skagen Hotel. Im Orgbüro scheint allmählich die Endstimmung Einzug zuhalten, die so typisch ist für die letzte Phase eines anstrengenden, großen Ereignisses.
Im Frühstücksraum des Hotels tauchen neue, unbekannte Gesichter auf. Gesichter „normaler“ Hotelgäste, die nichts mit dem Festival zu tun haben. Noch einmal habe ich Gelegenheit für ein längeres Gespräch mit der Rostocker Hotelangestellten. Sie ist vor etwa zwei Jahren mit ihrer Familie nach Bodø gezogen, arbeitet im
Skagen Hotel. Sie erzählt von ihren Erfahrungen des Ankommens, davon, dass es in Norwegen eine Krankenkasse für alle gibt und sich somit der Stress des Suchens und Abwägens nach der geeigneten Kasse erübrigt – für Neuankömmlinge eine große Erleichterung. Sie erzählt davon, dass ihr Kind gut betreut wird, dass sie einen sehr guten Sprachkurs besuchen konnte, dass mehrere hundert Deutsche in Bodø leben. Und sie erzählt, dass es nicht das Problem ist, einen einfachen Starterjob und eine kleine Wohnung zu finden. Sie gibt mir www-Adressen zum Einlesen, zur Jobsuche und ein Link zu einem Forum. Ich verabschiede mich von ihr in der ehrlichen Hoffnung, sie wieder zu sehen –
wenigstens als Freiwillige der Nordland Musikkfestuke im nächsten Jahr.

Sonntagmittag. Endlich ist es soweit. Gegen 13 Uhr brechen Ann Karin, Sophie, Priska, ein weiterer netter Freiwilliger und ich zum Saltstraumen auf. Ich bin auf dem Weg zu meinem zweiten persönlichen Konzerthöhepunkt dieses Festivals.
Mari Boine. Im Konzert mit der Violinistin und Sängerin Susanne Lundeng, dem Pianisten Frodo Fjellheim und der Gruppe Transjoik.

Zwischenblende:
Als ich später von dem Konzert erzählte, kannten sehr wenige den Namen
Mari Boine. Nur Kennern der nordischen Musik ist sie hier in Deutschland ein
(Inn-)Begriff. Noch weniger sind die Namen Lundeng, Fjellheim, Transjoik hier in Mitteldeutschland bekannt. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, ist es ein unglaublich schönes Gefühl, zu wissen, dass hinter diesen Namen große Musiker stehen. Es ist das Gefühl, eine Wissenslücke gefüllt zu haben, reicher zu sein.
Auch wenn es bei diesem Wissen um eine musikalische Erfahrung geht.
Wie wunderbar ist Musik. Welcher Reichtum geht von ihr in jeden über,
der sie erfahren, erspüren, erdenken, erLEBEN kann.
Ich bin dankbar für diesen Reichtum in mir. Und neugierig auf jede neue Entdeckung.

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